Der Weg zum eigenen Fair Fashion Label
Geposted von SOPHIA WITTROCK am
Wir haben Judith getroffen und mal nachgefragt, wie das Ganze so bei ihr gelaufen ist und wie sie die Herausforderungen gemeistert hat.
Liebe Judith, erzähl doch mal, wer bist du und was genau machst Du?
Ich bin Judith, 38 Jahre alt, ich war 10 Jahre im Vertrieb als Key Account Manager angestellt und habe mich dann vor 2 Jahren selbstständig gemacht und mein eigenes Label YOU&JJ gegründet. Ich verkaufe Businessmode für Frauen und biete zusätzlich noch Lifecoaching, also Coachings bezüglich Business-Themen aber auch für persönliche Entwicklung an.
Aktuell helfe ich in meinen Coachings Frauen und Männer bei privaten Konflikten und Blockaden, genauso wie jungen Businesses. Oft geht es dabei um beispielsweise um Fragestellungen wie „Wie führe ich mich und oder andere?“ oder um Konflikte mit Kollegen oder im Familienkreis und die daraus resultierenden Herausforderungen.
Aktuell teilt sich YOU&JJ so auf, dass 65% meiner Zeit in das Modelabel und 35% in Coachings fließen.
Um andere Menschen zu coachen braucht es viel Erfahrung, woher nimmst Du diese?
Einerseits beziehe ich meine Erfahrung stark aus den 10 Jahren als Fach- und Führungskraft, in der ich mein eigenes Team geleitet habe. Mein Wissen über die Steuerung von Teams und Business Development hat mir auch sehr gut für mein Startup geholfen.
Zusätzlich habe ich weitere Ausbildungen im Bereich Life Leadership und Emotional Leadership absolviert und ich bin zertifizierter energetischer Coach.
So kann ich klassische Coaching Ansätze und Gesprächstherapie mit Businesserfahrung mischen. Das ist ein guter Mix, der es mir ermöglicht, verschiedene Perspektiven eines Themas miteinzubeziehen und die Menschen, die zu mir kommen, ganzheitlich zu sehen.
Wie bist du die Gründung deines eigenen Modelabels angegangen?
Als mir klar wurde, dass ich mein eigenes Labelmode machen möchte, merkte ich nach 2 Wochen Recherche, wie schlecht sowohl die Supply Chain als auch die Bedingungen in der Mode sind. Von da an war mir klar: Die Blusen müssen fair hergestellt werden und dass eine konventionelle Produktion für mich nicht in Frage kommt.
Ich habe außerdem Modemessen besucht, habe mit Stofflieferanten und Produzenten gesprochen und war schockiert über die hohen Mengen zu niedrigen Preisen und die damit oft verbundene minderwertige Qualität. Ebenso habe ich viel die Gleichgültigkeit über das Wie in der Lieferkette wahrgenommen: Oft konnte nicht mal eine Auskunft über die Produktionsländer von Materialien gegeben werden.
Durch „The True Cost“ und andere Dokumentationen, die sich mit der Fast Fashion Industrie auseinandersetzen, habe ich ein sehr großes Bewusstsein für dieses Thema erlangt und bin fassungslos darüber, wie viel Gleichgültigkeit und Unwissen es in diesem Bereich gibt.
Warum bist Du gestartet, welches Problem wolltest Du lösen?
Die Idee ergab sich durch mein eigenes Problem, das ich lösen wollte: Business Mode in meinem Job.
Mich hat generell der Standard gestört. Für Männer gibt es ein großes Angebot sich klassisch zu kleiden, zum Beispiel viele verschiedene Arten von Hemden und Anzüge. Da bei Frauen gesagt wird, sie könnten im Beruf alles tragen, fehlte mir einfach die Auswahl bei Klassikern. Was mir am meisten gefehlt hat: Blusen, die gut sitzen.
Ein weiterer Punkt, war dass die Grund-Schnitte der Blusen oft einfach veraltet sind, da sie sich immer noch an Durchschnittsfrauen aus den 1960er Jahren orientieren und dabei nicht beachten, dass sich auch Körperformen im Laufe der Zeit ändern.
In einer Befragung von 400 Frauen bestätigten 95%, dass die sogenannte „Boob Gap“ das Problem Nummer eins ist. Das heißt, die aufspringende Knopfleiste im Brustbereich, die teilweise ungewollte Einblicke gibt. Ich dachte mir einfach, dass das doch besser und anders gehen muss.
Wie genau bist du dann vorgegangen, um Deine Idee umzusetzen?
Vor meiner Kündigung habe ich am Wochenende zwei Nähkurse besucht, um die Basics zu verstehen. Ich habe dabei der Kursleiterin Löcher in den Bauch gefragt. Außerdem habe ich mich intensiv mit den Fragen beschäftigt, welche Stoffe am geeignetsten sind oder was die wichtigsten Punkte bei der Produktentwicklung sind, die es zu beachten gilt.
Auf den Messen, die ich besucht habe, hat mich dann die Schneiderin des Nähkurses begleitet und stand mir bei Fachfragen zur Seite. So konnte ich viel lernen.
Darüber hinaus habe ich Kontakt zu Modedesignern mit eigenem Label hergestellt und mich über den Produktentwicklungsprozess, das Fitting und Prototypen informiert. Ich hatte das Konzept und suchte jemanden, der es technisch umsetzt. Mit den Businessthemen, also dem Vertrieb, dem Produktmanagement, der Supply Chain, der Produktentstehung kannte ich mich durch meine langjährige Berufserfahrung aus. Es ging also darum, einen Schnittmacher zu finden, der die technische Umsetzung für mich übernehmen kann. Insgesamt hat die Entwicklung der Bluse 1 Jahr und 3 Monate in Anspruch genommen.
Was waren dabei die größten Herausforderungen?
Eine Herausforderung war zum Beispiel eine nachhaltige Produktionsfirma in Europa für Blusen zu finden, da die Produzenten hier eher auf Streetwear oder Jersey fokussiert sind und sich sehr wenig mit Blusen auskennen. Bei Blusen steht für mich einfach die Passform im Vordergrund und auch die Qualität sollte sehr hochwertig sein.
Unterschätzt habe ich außerdem das Marketing im B2C und wie groß letztendlich der Unterschied zu dem Marketing im B2B ist. Der Dialog, das Branding und die Kommunikation fielen mir zunächst schwer. Ich musste den Weg aus der Businesswelt hin zu den Endkonsumenten finden.
Also war es Dir nicht möglich deine Blusen in Europa fertigen zu lassen?
Doch, das war mir weiterhin sehr wichtig. Ich wollte nicht mehr als 3 Flugstunden vom Produktionsort entfernt sein, um auch mal vor Ort sein zu können. Eine anfängliche Überlegung war auch, in Deutschland fertigen zu lassen, hier gibt es aber nur noch sehr wenige und kleine Produzenten. Mein jetziger Betrieb hat 40-50 Mitarbeiter und befindet sich in Portugal. Bis jetzt war ich dreimal dort und wir haben auch anfangs zusammen den Prototypen entwickelt.
Zusätzlich war mir die Verpackungsentwicklung wichtig und dass keine Tüten aus Plastik zum Einsatz kommen, die sogenannten Polybags. Unsere für uns entwickelte Verpackung besteht aus recyceltem Papier und einem Sichtfenster aus recyceltem Vinyl.
Was sind die beliebtesten Größen bei deinen Kundinnen?
Mir ist aufgefallen, dass die “wide fits”, die mehr Breite im Brustbereich bieten, sehr nachgefragt sind. Hier besteht ein sehr großer Mangel am Markt. Frauen mit großer Oberweite haben wirklich Schwierigkeiten Blusen zu finden.
Wer sich unsicher ist, welche Größe passt, kann sich natürlich von mir beraten lassen. Aktuell verkaufe ich meine Blusen bis Größe 44, meine Schnitte können aber bis Größe 52 ausgeweitet werden.
Was ist langfristig deine Vision für dein eigenes Label?
YOU&JJ soll sich als Blusenmarke in der Businesswelt nachhaltig etablieren und dafür bekannt werden, die perfekte Bluse für jeden Figurtyp anzubieten. Ich möchte, dass die Konsumentin gleich im Kopf hat: eine gut sitzende Bluse kaufe ich bei YOU&JJ.
An erster Stelle stehen für mich immer Passform und die Qualität. Aber ich mache natürlich auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit keine Kompromisse.
Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung Deines Labels bis jetzt?
Bisher bin ich sehr zufrieden. YOU&JJ ist vor gut 4 Monaten gelauncht: Die Nachfrage steigt Stück für Stück und meine Lernkurve für viele Themen ist sehr steil. Ich war auf der NEONYT in Berlin beim Prepeek Influencer Event mit meinen Blusen dabei, die mit anderen nachhaltigen Kleidungsstücken gestylt werden konnten und ich bin viel als Speaker zum Thema Fair Fashion und Gründung unterwegs.
Liebe Judith, vielen Dank, dass Du uns einen Einblick in Deine Gründung gewährt hast. Wir sind gespannt, wie es bei Dir weitergeht und wünschen Dir alles Gute.
Hier findest Du Judiths Blusen bei jesango und hier geht es zu Judiths Website.